Ein kurzer Brief zum Abschied

Ofterdingen im April 2011. Grün ist es geworden, und die Vögel singen. Ich weiß noch, es ist nicht so lange her, wie paradiesisch uns dieses Örtchen am Rand der Schwäbischen Alb erschienen ist. Wie unwirklich. Nun, die Zeit hat wohl nicht gereicht, dass dieses Tal den Reiz des Fremden ganz verloren und gegen den Mantel des Alltäglichen eingetauscht hat. Die Zeit hat vielleicht gerade mal so genügt, um so etwas wie Traurigkeit empfinden zu können, am Vorabend des Abschieds: ein wenig Schwermut wenigstens über all das, was man in der Kürze der Zeit nicht (oder nicht genug) wahrgenommen hat.

Die Kisten sind gepackt (früher reichten vielleicht ein paar Koffer), die Einrichtung ist zerlegt, und die Katze betritt nur noch klagend ihr einstiges Reich. Der Transporter wird kommen. Bald laufen wir durch eine jetzt noch fremde Stadt, und auch in der werden wir uns auskennen.

Die Mobilität, Segen und Fluch dieser Gesellschaft, habe ich vielleicht nie ganz verstanden, vielleicht bislang auch nie auf mich bezogen - im Moment, in dem ich sie begreife, halte ich sie für ebenso eine Selbstlüge wie das ewige Märchen vom Aufschwung. Home is where the heart is, erinnere ich mich gelesen zu haben. Aber das Herz wie der Mensch sucht doch nach einer Kontinuität im ewigen Auf und Ab, das nicht einfach nur die eigene, ohne den Anderen, ohne Umwelt und Umfeld verwahrlosende Identität sein kann?

Wir reisen ab. Ein weiteres Mal. Wir brechen auf, als wären wir auf der Suche nach Gold im Westen Amerikas. Dabei interessiert uns das Gold herzlich wenig. Das Glück schon ein wenig mehr. Aber das ist sowieso an unserer Seite. Bis es dem Glück vielleicht zu langweilig wird, alle paar Jahre von vorn anzufangen. Bis es dem Glück vielleicht irgendwo so sehr gefällt, dass es einfach nicht mehr weiter reisen will.

Der Kater zum Beispiel. Erträgt alle Fahrten, alles Chaos, hat bisher jeden neuen Garten über kurz oder lang zu seinem Revier gemacht. Solange wir an seiner Seite waren. Wenn man, wieder einmal, alles eingepackt hat, Kind & Kegel & Katze, dann fragt man sich unweigerlich nach dem Schicksal der (zwangsläufig) Mitreisenden. Der Mitentrissenen. Der Schicksalsgemeinschaft. Ganz klischeemäßig denkt man an die Odyssee.

This could be the last time... Es gibt so viele letzte Male. In Tagen wie diesen wird es nicht leichter, nur weil alle Beteiligten darum wissen. Auf Wiedersehen, sagt es sich eben nicht leicht. Meine Geschichte nehme ich mit, nur das handelnde Personal gehört nicht zur Besatzung. Manche wird man wiedersehen, viele nicht. An manche wird man denken, manche vergessen, und manchmal entstehen aus solchen Gründen Briefe. Kurze Briefe zum Abschied werden länger mit der Zeit.