Vitte, Hiddensee
Die Pläne reichten wie immer nur bis zur Ankunft. Kaum stand das Auto auf dem Parkplatz, da verließen sie ihn. Die Pläne. Und die Zuversicht. Im Rücken die Geschäfte, die Emails, die verpassten Telefonate, die Rechnungen, die Todo-Listen, der vollgepackte Kühlschrank, vor ihm: nichts -
Sieben Tage aus dem Alltag gefallen, ohne Netz und doppelten Boden. Sieben Tage Langeweile.
Was wollen wir hier?
Schlimmes schwante ihm, als er an der Reling der "MS Hansestadt Stralsund" lehnte, die sie auf die Insel brachte. Der schmale Streifen Land inmitten von Meer und Bodden näherte sich unaufhaltsam - und mit ihm der Zeitpunkt der Ankunft, der Moment, wo er seinen Fuß auf das Eiland setzen würde, Heimstatt der Ungewissheit, Home of the Brave.
Als mutig würde er sich nicht bezeichnen.
Flau war ihm im Magen, und als sei das nicht genug, rief seine Frau: Freuen wir uns des Lebens! Er hasste Urlaube noch bevor sie begannen.
Zum Glück gab es die Kinder. Die sprangen als erste von der Fähre und ersparten es ihm, das mutige, tatkräftige Familienoberhaupt spielen zu müssen. Die rannten vorneweg und fanden, als hätten sie eine Karte der Insel in ihrem Kopf, sofort die wichtigen Orte: Spielplatz, Eisdiele, Kino und den Weg zum Strand. Die trafen alle Entscheidungen, bevor Ungewissheit sich breitmachen konnte. Wie leere Blätter sich im Schreiben wie von selbst mit Schrift füllen, füllten sich die sieben Tage unaufhaltsam mit Erlebnissen und Beschäftigungen, von denen vieles - ähnlich wie mit der Hand beschriebene Seiten - im Laufe der Zeit immer weniger zu entziffern sein würde.
Die Pläne reichten bis zur Ankunft. Sehnsüchtig blickte er sieben Tage darauf zur Insel zurück.