Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft

“Anything not saved will be lost.“

Dieses Motto stellt Fiona Sironic ihrem Debütroman voran. Auf den folgenden 200 Seiten wird einiges verloren gehen. Da sind etwa die Vögel, die aussterben und deren Namen über den einzelnen Kapiteln wie Epitaphe stehen: Turteltauben. Feldlerchen. Der Specht. Dohlen. Amseln.

Era, die Ich-Erzählerin, setzt dem allgegenwärtigen Verlust, der zu ihrer Zeit schon selbstverständlich geworden zu sein scheint, eine ganz analoge Erinnerungsmethode entgegen: In ein Heft klebt sie alles, was ihr zu den ausgestorbenen Tieren in die Finger fällt. Die 15-jährige lebt mit ihrer Mitte in einer mittelfernen Zukunft, die mit unserer Gegenwart nicht mehr allzu viel gemein hat. Die Schnellstraßen sind leer, die Wälder brennen, Wohnraum ist knapp, Gemüse ist es auch. Die Welt wirkt wie erstarrt, reglos, ohne Zukunft. Das Leben der Menschen spielt sich in einem auf Social Media reduzierten Internet ab, das mit dem „alten“ Internet nicht mehr ganz so viel zu tun hat. Und am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft.

Fiona Sironic: Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft. Harper Collins 2025

Die Mädchen: das sind zunächst Maja und Merle, Töchter zweier Mütter, die ihr gesamtes Leben als Momfluencer öffentlich vermarktet haben. Was da in die Luft gejagt wird, sind Festplatten aus dem Keller mit den gesammelten Daten ihres Lebens. Anything not saved will be lost? Manchmal hilft nicht mal das Speichern, so hoffen sie – doch da gibt es noch geheimnisvolle „Archiv“, das nichts vergisst.

Era möchte sich den beiden Mädchen anschließen, und hier beginnt einer der vielen Stränge dieses hermetischen Romans, der mit Sprach- und Syntaxspielen, Jugendsprache und Theoriediskursen, Medienkritik und Chatverläufen ein ziemlich beengendes Bild der Zukunft malt. Mittendrin eine Liebesgeschichte zwischen zwei Mädchen, die, natürlich, zum Scheitern verurteilt ist. Es geht um Größeres.

“Wann rückt das Aussterben aus dem Hintergrund in die Masse?“

Natürlich: das Massenaussterben hat schon lange begonnen. Von all dem Lebenswerten unserer Welt ist in dieser tristen, trockenen Zukunft nicht mehr viel übrig. Fiona Sironic hat in Hildesheim Kreatives Schreiben und Gender Studies studiert; dort werden gern Theorie und Praxis mit Experimentierfreude zusammengebracht. Ganz einfach macht sie es ihren Leser*innen mit dieser Liebesgeschichte, die einen kaum atmen lässt, nicht. Mag aber auch daran liegen, dass diese Flaschenpost aus der Zukunft in einer Zeit geöffnet wird, in der allerhand bedrückende Nachrichten befürchten lassen, dass wir schon auf dem besten Weg in die dystopische Welt von Era und ihren Zeitgenoss*innen sind.