Kidstory

Die Weltgeschichte aus Kindersicht

Am Anfang war das Feuer. Ein "Mädchen ohne Namen" ist es, das seinem Stamm vor eineinhalb Millionen Jahren das Feuer bringt: der Beginn einer großen, weltumspannenden Geschichte, die die israelische Autorin Tamar Weiss Gabbay und die Illustratorin Shiraz Furman auf über 200 Seiten erzählen, bis Anfang des 20. Jahrhunderts das in Polen geborene Mädchen Betty in ihrer neuen Heimat New York über ihre fernen Urahnen nachdenken wird.

Das Besondere an dieser Weltgeschichte: in Kidstory sind es Kinder, die Geschichte erleben und – ja – machen.

Der erste Handschlag. Die erste Butter. Die Erfindung des Klopapiers. All das verdankt sich in dieser Geschichte den Kindern unterschiedlichster Zeitalter und aus allen Ecken der Welt. Die Macherinnen dieses Buches nehmen sich dabei natürlich allerhand Freiheiten heraus, bewegen sich aber entlang gesicherter Fakten und in Sichtweite wichtiger historischer Ereignisse. Indem sie "die Weltgeschichte aus Kindersicht" erzählen, machen sie die sichtbar, die sonst selten im Fokus der Historiker*innen stehen. Sie nehmen die Kinder aber nicht nur ernst, sondern geben ihnen eine tragende Rolle in der Geschichte der Menschheit – und erschließen so die zurückliegenden Jahrtausende für jüngere Leser*innen heute. Zum Vorlesen eignet sich das Buch für Kinder ab 8 Jahre, die doch recht ausführlichen Erzählungen dürften erst am Ende der Grundschulzeit zum Selbstlesen geeignet sein.

Tamar Weiss Gabbay, Shiraz Furman (Illustr.): Kidstory. Von der Steinzeit bis heute. Die Weltgeschichte aus Kindersicht. Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Fischer Sauerländer 2024

So können wir dabei sein, wie in Südfrankreich die ersten Höhlenzeichnungen entstehen (natürlich von Kinderhand), wie Kinder die landwirtschaftliche Revolution und die damit verbundene Sesshaftwerdung erleben, wie in Mesopotamien ein Kind die Schrift erlernt oder sich ein Mädchen in Griechenland unter die Zuschauer der Olympischen Spiele schmuggelt (wo natürlich ausschließlich nackte Männer Sport treiben dürfen). Wie gingen die Römer auf Toilette? Und wie lebte ein adeliges Mädchen im Mittelalter? Wie hart mussten Jungen und Mädchen im England der industriellen Revolution arbeiten – und wie viele Stunden am Tag?

Gabbay und Furman verdeutlichen auf ihren Zwischenstopps in dieser Weltgeschichte für Kinder vor allem, wie anders das Leben zu anderen Zeiten und an anderen Orten war. Dabei geht es nicht um ein Besser/Schlechter, eher um die Veränderung als Konstante in der menschlichen Geschichte. Ein Befund, der angesichts der jungen Protagonistinnen und Protagonisten Mut macht.

Wie gut, dass das Buch mit einem offenen Ende schließt. Die letzten Kapitel nämlich sollen die Lesenden selbst schreiben, im Gespräch mit den Großeltern etwa, in Auseinandersetzung mit der eigenen Gegenwart oder mittels Erfindung zukünftiger Lebensweisen. Ein anspruchsvolles Unterfangen!