Du suchst Weisheit? Schau mal bei den Kinderbüchern …

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Es erwischt mich jedes Mal, wenn ich meiner Tochter Der Mond ist aufgegangen vorsinge. Das ganze Leben in einem Lied. Oder besser: alles, was man an Weisheit in einem Leben erfahren kann, alles was man braucht, wissen kann, wissen sollte, in ein paar ganz einfachen Verszeilen, die man für wahr empfinden kann, auch wenn man nicht, wie der Autor des Abendlieds, Matthias Claudius, an einen christlichen Gott glaubt.

Was muten wir unseren Kindern da eigentlich zu? Werden die sich auch, 30 Jahre später, wenn sie ihren Kindern vorsingen, die Augen reiben und verwundert feststellen: Ich weiß all das schon immer?

Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.

Sind all die Erfahrungen, die wir in den Zeitaltern seit dem Kindsein machen, nur dazu da, uns irgendwann wieder an den einen Punkt zurückzuführen, wo, siehe da, ein Kind auf uns wartet und uns wie im Märchen vom Hasen und dem Igel zugrinst: Ich bin schon da?

Nur dass das (einstige) Kind den (scheinbar erfahreneren) Großen braucht, um zu wissen, was es weiß. Im Falle des besagten Schlafliedes nimmt meine Tochter zum Glück nur die eigene Müdigkeit und die Bilder vom schwarzen Wald und dem wunderbaren weißen Nebel wahr - alles andere ist Ahnung, die erst das Leben zur Erkenntnis formt.

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Es war einmal eine Wolke, die war sehr groß und sehr schön.

So beginnt das Märchen von der Wolke, die nicht regnen wollte, enthalten in dem 1974 erschienen Kinderbuch Der Drache mit den veilchenblauen Augen von Gert Prokop.

Da entsteht an einem sehr heißen Sommertag eine besonders große und schöne Wolke - aus den Gedanken von ein paar, von der Sonne gestreichelten Wassertropfen, die fortan, vereinigt zur größten und schönsten Wolke überhaupt, von sich denken können, wie groß und schön sie sind. Ah und Oh ruft ein jeder, der sie sieht, und dem auf diese Weise herangewachsenen Wesen wächst Stolz und Eitelkeit und Selbstgefälligkeit, wie dem Pinocchio seine Nase.

“Mühe dich nur, Alter,” ruft die Wolke dem Wind zu, “heute darfst du die größte und schönste Wolke schieben, die die Welt je gesehen hat. Ich will hören, was man anderswo über meine Schönheit sagt.”

Das einzige, wovon die Wolke nichts hören will, ist die Kunde von ihrer Aufgabe. “Ich will nichts von meiner Schönheit und Größe abgeben, nein, ich will nicht regnen.” Was dann - nachdem Urwälder und Wüsten überflogen worden - folgt, ist ein berührender und schmerzlicher und befreiender Erkenntnisprozess.

Ich bin da für dich

Denn angesichts der Wassernot unter ihr beginnt die Wolke zu weinen. Der einsetzende Regen schenkt den Wesen auf der Erde Freude und Leben, und die große Wolke wird wirklich schön in ihrer Hingabe:

“Wenn Wolken weinen, sind sie zugleich fröhlich”, erklärt der Wind, “weil sie wissen, dass sie anderen Leben schenken, indem sie sterben.”

Bewahrt die Wolke ihre Schönheit und Größe, bewahrt sie sich auf für Zukunft, Ewigkeit oder das Gefühl der eigenen Besonderheit, bleibt ihre Existenz sinnlos; gibt sie sich hin, schenkt sie Anderen das, was sie zu geben hat, erkennt sie gleichzeitig die eigene Vergänglichkeit an (die sie ohnehin, wie alle, erwartet hätte). Spar deinen Wein nicht auf für morgen, hieß das bei Gerhard Schöne. Generosität, Großmut, Liebe kann man das auch nennen. Nicht für die Zukunft, nicht für unsere Gedanken, für einander leben wir.

“Jetzt bist du erst wirklich schön,” sagte der Wind. “Denn es gibt nichts Schöneres als eine regnende Wolke über dürstendem Land. Ich werde allüberall erzählen, wie schön du warst, als du den Menschen und Tieren und den Blumen und Bäumen hier dein Leben geschenkt hast.” Und dabei streichelte er sie ganz sanft und zärtlich.