"Suche das Glück nicht mit dem Fernrohr"
Oelsnitzerin mit Leib und Seele: Buchhändlerin Kathrin Jakob
„Fahr nicht fort, kauf am Ort.“
Wenn Kathrin Jakob einen Kunden in ihrer Buchhandlung begrüßt, löst sich die viel besungene Krise des Buchhandels innerhalb weniger Augenblicke in Luft auf. Regale, dicht bepackt mit Büchern zu ziemlich jedem Thema, Buchhändlerinnen, die kenntnisreich beraten, kürzere oder längere Gespräche über die Heimat und das Leben und ein freundlicher Service (wie die schnelle Lieferung bestellter Artikel) – im Vergleich zu einem solchen Geschäft kann die Konkurrenz aus dem Internet einpacken. Selbst manchen Lesemüden packt hier die Lust, ein Buch mit nach Hause zu nehmen.
„Für mich gibt es keine schönere Arbeit,“ sagt Kathrin Jacob.
„Literatur hat immer schon zu meinem Leben gehört. Schon zu Hause habe ich mich damit vor der Hausarbeit gedrückt. Dass es mal eine eigene Buchhandlung wird, das habe ich so auch nicht geplant. Es hat sich ergeben.“
Die gebürtige Oelsnitzerin, die heute in Schöneck lebt, wollte eigentlich Lehrerin werden. Traumfächer: Deutsch, Russisch, Musik. Die Liebe zu den Büchern, die russische Sprache und das Musizieren begleiten sie bis heute. Zu DDR-Zeiten arbeitete sie jedoch zunächst als Verkaufsstellenleiterin, bevor sie sich nach der Wende zur Zahnarzthelferin ausbilden ließ. Erst 2005 übernahm sie die Buchhandlung am Markt, die sie seither mit Leben, Leidenschaft und zahllosen Ideen führt. Die treuen Kunden – manche von ihnen hatte Kathrin Jakob in den 1990ern schon als Patienten in Obhut – wissen das zu schätzen.
„Ich bin sehr dankbar, dass uns die Kunden so die Treue halten. Manche von ihnen recherchieren Im Internet und bestellen dann bei uns.“ Sie weiß: „Ohne unsere Kunden gäbe es uns lange schon nicht mehr.“
„Der große Frieden entsteht im Kleinen.“
Die energiegeladene Inhaberin ist keine, die sich hinter Büchern verkriecht – ganz im Gegenteil. Ihre Offenherzigkeit und ihr Engagement erst machen die Buchhandlung zu dem, was sie ist. Jakob scheut sich nicht, große Worte in den Mund zu nehmen: Frieden, Glück, Freiheit zum Beispiel. Oder das Wort „Heimat“.
„In Oelsnitz ist mein Herz zu Hause. Das ist Heimat. Ich könnte es mir woanders einfach nicht vorstellen.“
Das Wort strahle „wohlige Wärme“ aus, sagt sie, dabei sei Heimat keineswegs selbstverständlich. „Heimatverbunden sind viele, aber dass man für die Heimat etwas tun muss, ist vielen nicht bewusst.“ Sie denkt an die vielen Menschen, die keine Heimat mehr haben. Flüchtlinge, Vertriebene.
Schon ist sie bei dem Thema, das sie umtreibt wie kaum ein anderes: der Frieden. Man merkt im Gespräch: das ist etwas, worüber sie sich wirklich Sorgen macht. Weltfrieden? „Das wird jedes Jahr problematischer.“ Gern würde sie einmal im Bundestag reden, spontan, ohne fertiges Manuskript. Weil das nicht ohne weiteres geht, nutzt sie die Buchhandlung. Ein Schild aus DDR-Zeiten hängt über der Kasse: „Mein Arbeitsplatz, mein Kampfplatz für den Frieden.“
Jedes Jahr setzt sie sich am 1. September, dem Tag, an dem der 2. Weltkrieg begann, mit ihren Möglichkeiten für den Frieden ein. Für die Aktion vor der Buchhandlung bekommt sie von einem Bäcker schon mal Friedenstauben gebacken, es gibt T-Shirts oder Postkarten. Erika Schirmer, die Komponistin des Liedes „Kleine weiße Friedenstaube“ hat für sie schon einmal eine 5. Strophe gedichtet, die dann auf dem Oelsnitzer Markt gemeinsam gesungen wurde.
Ob 8. März, 8. Mai, Weihnachten: keinen Anlass lässt Kathrin Jakob verstreichen, um etwas Gutes zu tun oder auf Probleme hinzuweisen. Ob „Weihnachten im Schuhkarton“, Spenden für den ambulanten Hospizdienst oder die Arbeit an Schulen: sie ist keine Frau für das Abstrakte. Hier vor Ort, jetzt in diesem Moment: zupackend, ehrlich und konkret setzt sich Kathrin Jakob dafür ein, dass die Welt ein kleines Stück besser wird.
Aus dieser Haltung heraus engagiert sie sich auch für Oelsnitz und das Vogtland. In Eigenregie entstehen Postkarten, Flyer, sogar Bücher – wie das Fotobuch ihres Mannes mit dem Titel „Wunderschönes Vogtland“. Die jährlichen Grußkarten zu Weihnachten, die sie nicht nur mit weisen Sprüchen sondern auch mit privaten Grüßen versieht, sind mittlerweile fast schon Sammlerstücke, und auf einer schön gestalteten Klappkarte gibt Kathrin Jakob die alte Sperkensage weiter, die Ursprungslegende der Stadt Oelsnitz. Heimat, das ist auch ein Ort der Geschichten.
„Ein Wort, das von Herzen kommt, hält dich drei Winter warm.“
„Alles, was mir am Herzen liegt, kann ich hier in der Buchhandlung unterbringen“, sagt sie. Sie ist niemand, die Geschäft und Engagement trennt. Die kleine, unabhängige Buchhandlung ist dafür der perfekte Ort. „Ich kann meine Titel ja ganz anders auswählen als eine Filiale irgendeiner Buchhandelskette. Es steht kein Buch im Regal, über das ich mir keine Gedanken gemacht habe.“
Kathrin Jakob kennt nicht nur ihre Bücher – sie kennt auch ihre Kunden. Sie sucht das persönliche Gespräch, denkt mit, gibt Anregungen und individuelle Buchempfehlungen. „Einfach fix ein Buch kaufen, um jemandem was zu schenken, ist bei mir nur schwer möglich.“
Natürlich hat sie, wie jede Buchhandlung, ein breites Sortiment im Angebot. Dennoch liegen ihr einige Bereiche besonders am Herzen. Kinderbücher etwa, Sachbücher zu politischen Themen. Einen Schwerpunkt sieht sie selbst im Bereich Gesundheit. „Selbst ist der Patient,“ sagt sie. „Man sollte sich immer selbst informieren.“ Das schließt auch die Literatur zum Sterben, zur Sterbebegleitung und Trauerarbeit mit ein – für Erwachsene wie auch für Kinder. „Sterben ist das einzige, was auf uns alle zukommt. Da kann man so viel helfen. Viele wissen nicht, was es da für gute Bücher gibt, auch Kinderbücher.“
„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
„Habe ich nicht eine schöne Arbeit?“, fragt sie. Dabei, natürlich, macht ihr die Krise des Buchhandels dennoch zu schaffen. Ebenso wie die deutsche Bürokratie, die oft genug dafür sorgt, dass in der Buchhandlung noch spät am Abend Licht brennt.
„Ein kleines Geschäft ist immer ein Familienbetrieb. Ohne meine Familie gäbe es die Buchhandlung nicht. Nicht mehr. Das geht einfach nicht allein. Nur mit engagierten Mitarbeitern.“
Kathrin Jakob spricht schnell, leise, präzise. Immer wieder sucht sie nach einer noch genaueren Formulierung, fragt nochmal nach, ob sie richtig verstanden wurde.
Die Zukunft des Buchhandels? „Man weiß nicht, wohin die Reise geht...“, sagt sie. „Wenn man das alles vorher im Detail gewusst hätte, was da mit so einer Buchhandlung auf einen zukommt, man wäre nicht so beschwingt in das Ganze hineingegangen.“
Warum sie das dennoch mache? Aus Liebe zur Literatur, zur Heimat, zu den Menschen hier. „Ja,“ sagt sie, „man muss die Menschen lieben.“
Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen im vischelant – Kundenmagazin des Verkehrsverbundes Vogtland, Frühjahr 2019. Die Buchhandlung am Markt in Oelsnitz findet sich im Netz unter www.buch-oelsnitz.de.