Warum noch lernen?
Wie Schule in Zeiten von KI, Kriesen und sozialer Ungerechtigkeit aussehen muss
Bob Blume ist wahrscheinlich einer der bekanntesten Lehrer in Deutschland. Als "Bildungsinfluencer" ist er nicht nur auf diversen Social-Media-Plattformen präsent und veröffentlicht eigene Podcasts, er ist auch gern gesehener Gast in Talkshows, Expertenrunden und Publikationen aller Art. Dabei verknüpft er die Erfahrungen aus dem eigenen Unterrichten mit der schonungslosen Analyse des deutschen Bildungssystems. Und kommt zu dem vernichtenden Urteil:
"In deutschen Schulen wird nicht gelernt."
Was ein Problem ist, klar. Nun ist die Frage, die Blume seinem neuesten Buch voranstellt, eher rhetorischer Natur: Warum noch lernen? Weil Lernen der Ausgangspunkt für jede Weiterentwicklung ist. Deshalb müsse Schule vermitteln, dass Lernen sinnstiftend ist und lustvoll sein kann. Schule müsse ins Zentrum rücken, wie Lernen geht. Stattdessen verhindert das in die Jahre gekommene und von zahlreichen Problemen geschleifte Bildungssystem der Bundesrepublik eher das Lernen, welches, wenn überhaupt, zuhause stattfindet. Weshalb Bildungserfolg in hohem Maß vom Elternhaus abhängt.
Bob Blume kämpft für eine bessere, zeitgemäßere Schule – mit ganz viel Idealismus, profundem Faktenwissen, Kenntnis so ziemlich jeder aktuellen Studie und sehr viel Engagement. Er kämpft dafür, dass Lehrkräfte, Bildungspolitiker und Eltern das "Warum" ins Zentrum des Lernens stellen, anstatt überaltete und überfüllte Lehrpläne von überlasteten Lehrer*innen in überfüllten Klassen mit Fixierung auf abzuliefernder Leistung abarbeiten zu lassen. Er kämpft dafür, sämtliche Bestandteile des Bildungssystems auf den Prüfstand zu stellen – allen voran den Förderalismus. Und er entwirft auf dem Weg Splitter einer wirklich verlockenden Utopie, wie erfülltes Lernen für eine dynamische Welt aussehen kann. Unterwegs ruft er irgendwann ein "Jahrzehnt des Lernens" aus – das ist mir dann aber doch eine Nummer zu groß.
Nun ist Bob Blume nicht nur gern gesehener Gesprächspartner in allen denkbaren Formaten, weil er über viel Wissen verfügt – er kann auch eloquent und unterhaltsam formulieren. Das sorgt indes dafür, dass sein Buch über Schule in Zeiten von KI, Krisen und sozialer Ungerechtigkeit ziemlich vollgepackt ist. Es ist eine große Wundertüte mit zahlreichen Inspirationen für die Praxis auf der einen Seite und so fundamentalen Forderungen auf der anderen, dass es mich als Lehrer an einer Grundschule maßlos überfordert. Wo fange ich mit Veränderungen an, wenn mich eigentlich schon der ganz reale Alltag überfordert? Oder ist genau das das Problem, an dem dieser Rundumschlag für eine zukunftsfähige Schule rüttelt?