Unsere Wälder
Eigentlich ist dieses Buch ja Teil eines Medienverbundes, der verschiedenste Zugänge zum Thema Wald eröffnet. Es war im Sommer letzten Jahres, da veröffentlichte der Techno-Musiker Dominik Eulberg einzelne Tracks zu einem Soundtrack für eine TV-Dokumentation. Das Album Wald umfasst letztendlich fast 60 Minuten Musik, die auf leisen Wegen die Ohren öffnet für das Wunder, das der Dokumentarfilmer Jan Haft nicht müde wird, in Szene zu setzen.
Die Bilder dazu gibt es aktuell noch in zwei Teilen in der ARD Mediathek zu sehen: da erforscht Haft den Superorganismus Wald, in dem Pflanzen, Tiere und Pilze in einem engen Netzwerk zusammenleben. Faszinierende Aufnahmen, die oft nur staunen lassen – gleichzeitig aber auch den Blick weiten wollen für den Wald, wie er sein könnte, wenn wir ein wenig abließen von unserer Vorstellung, wie Wald zu sein hat.
Genau das erkundet Haft nun in seinem Buch über Unsere Wälder: Wie sie sind, wie sie sein könnten.
Ihm geht es, so schreibt er, "um das Neben-, Gegen- und vor allem um das Miteinander all der verschiedenen Organismen, die in diesem Habitat leben, dem die Riesen der Pflanzenwelt das Gesicht verleihen".
Mit Besuchen in verschiedensten Wäldern Deutschlands und in Gesprächen mit Förstern und Wissenschaftlern entwickelt er eine ganz unideologische Vorstellung vom Wald, die den Wirtschaftsfaktor des Waldes ebenso wenig ausklammert wie sie den vermeintlich naturbelassenen Wald idealisiert. Denn unsere Vorstellung von einem dichten Urwald oder einem scheinbar naturwüchsigen Buchenwald hat mit dem, was Wald über viele Jahrtausende war, wahrscheinlich ziemlich wenig zu tun.
"Der "Nicht-Wald" muss ... immer Teil des Waldes gewesen sein, müssen baumbestandene und baumlose Flächen von Natur aus zusammengehören. Erst die Kombination macht einen Landstrich für viele Arten attraktiv."
Auch in diesem Buch gelingen Jan Haft faszinierende Schilderungen. Vor allem aber gelingt es ihm, wissenschaftliche Erkenntnisse, Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus der Praxis verständlich zu schildern und zusammenzubringen: auf der Suche nach dem Wald, wie er bestmöglich sein könnte.
So schreibt er über die "ungleichen Schwestern" Buche und Eiche, beschreibt die Artenvielfalt in der Döberitzer Heide unweit von Berlin, er schreibt ein leidenschaftliches, kenntnisreiches Plädoyer für den Speierling und die alte, in Deutschland weitgehend verbotene Bewirtschaftungsform der "Waldweide" und untersucht die Bedeutung von Waldbränden für den natürlichen Zyklus des Waldes.
Kurz: neben gelungener Naturbeschreibung wartet Unsere Wälder mit jeder Menge überraschenden Erkenntnissen auf, die vor allem eins zu zeigen: Der Wald ist größer und vielfältiger als jede unserer Vorstellungen von ihm.
"Den Wald der Zukunft gibt es nicht, wie es auch heute den Wald nicht gibt."
Jan Hafts Buch ist aber vor allem eine Einladung, den Wald vor der Haustür zu entdecken, eine Einladung zum genauen Hinsehen. Wer davon nicht genug bekommt, findet im Anhang Ausflugstipps, die über 20 sehenswerte Wälder in allen Ecken Deutschlands versammeln. Nichts wie raus!
