Repair Club
Akribische Recherche, ein Plot zum Atemanhalten und ein ebenso atemloses Erzählen: Andreas Pflüger gab letztes Jahr einen Eindruck davon, Wie Sterben geht. In Hochzeiten des Kalten Krieges ließ er eine Spionin des BND und einen KGB-Offizier aufeinandertreffen und im Deckmantel konstruierter Identitäten den einen oder anderen Tanz miteinander führen. Ein Meisterwerk des Polit-Thrillers – schon allein wegen seines raffinierten Plots und dem erzählerischen Vermögen des Autors. Und dann sind da noch die drastischen Analogien zwischen der Sowjetunion damals und dem heutigen Russland: gut möglich, dass jederzeit auch der junge Wladimir Putin die Bühne des Geschehens betritt.
Das tut er tatsächlich in einem anderen, ganz ähnlich gelagerten Fall: Charles den Tex lässt in Repair Club seinen Protagonisten John Antink recht widerwillig die Geheimnisse eines Meisterspions aufdecken – und in diesen spielt der junge Putin (unter anderem Namen) tatsächlich eine Rolle. Antink war früher Chef des niederländischen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes; seit seiner Pensionierung betreibt er zusammen mit drei Mitwissern einen "Repair Club"; offiziell werden hier kaputte Elektrogeräte repariert – inoffiziell auch möglicherweise nicht ganz so triviale Probleme behoben. Genaueres erfährt man nicht.
Klassisch der Auftakt: Ein Unbekannter sucht Antink im Repair Club auf, bedroht ihn mit einer Waffe, hinterlässt eine geheimnisvolle Nachricht. Wenig später ist der Unbekannte tot. Und Antink wird heimgesucht von seiner Vergangenheit als Meisterspion, der in Zürich eine als Finanzberatungsfirma getarnte Dependance des niederländischen Geheimdienstes betrieb und in Dresden in den 1980er Jahren Geschäfte mit den Russen einfädelte, um nicht nur an deren Geld sondern vor allem an Informationen zu gelangen.
Lange allerdings weiß er gar nicht genau, womit er er es zu tun hat. Nicht nur die Russen, auch sein ehemaliger Arbeitgeber sucht verzweifelt nach ihm, und es braucht einige List und etwas Handwerk, um Herr der Lage zu werden. Bis ihm der Verrat einer sehr vertrauten Person den Boden unter den Füßen wegzieht. Antink sieht ein: Er hat damals, in Dresden, einen großen Fehler gemacht. Und er muss wieder zurück, um den Fehler zu beheben.
In Rückblenden begegnet uns der ganze Horror des Kalten Krieges: Stasi-Knast, Bespitzelung und eben auch der junge Putin, der wie zufällig in einer Bar an der Theke sitzt, schon damals aber – im Rahmen seines ersten Auslandseinsatzes – einige Fäden in der Hand hält. Generell aber erzählt den Tex seine Geschichte eher technisch und unaufgeregt. Die Protagonisten – neben Antink u.a. auch seine Nachfolgerin als Chefin des Geheimdienstes – zögern und grübeln, zweifeln und sorgen sich. Was in der Realität wünschenswert ist, bremst den Roman eher aus. Nicht nur von der recht abstrakten Thematik sondern auch von dem steten Selbstkommentar behindert, nimmt die Handlung nur langsam an Fahrt auf – was den Roman um einiges blasser bleiben lässt als Pflügers beeindruckendes Spionage-Epos aus dem letzten Jahr.