Kinderbibel – die beste Geschichte aller Zeiten
Meine kleine Bibelkunde
Bibelübersetzungen und Bibelausgaben gibt es wie Sand am Meer. In einer kleinen Reihe erzähle ich von einigen Bibeln, auf die ich gern und aus verschiedenen Gründen zurückgreife. Warum? Weil ich glaube, dass das Lesen der Bibel Spaß und Sinn macht – nicht nur für Christen.
Ich bin selbst ohne Kinderbibel aufgewachsen. In meiner Familie war der christliche Glaube absolut kein Thema, und ich hatte schlichtweg keine Ahnung, was ich da verpasse. Georg Langenhorst zufolge, Professor für Didaktik im katholischen Religionsunterricht an der Uni Augsburg, nicht weniger als die beste Geschichte aller Zeiten.
Tatsächlich habe ich in den letzten Jahren zusammen mit meinen Kindern verschiedene Kinderbibeln ausprobiert. Viele fand ich beim Vorlesen selbst eher bemüht, zu vereinfachend oder schlichtweg lieblos und langweilig. An den Bilderbibeln von Kees de Kort konnten wir uns nicht satt sehen, doch eine Kinderbibel, die so spannend und anspruchsvoll genug erzählt, dass sie auch im Text Große wie Kleine zu fesseln vermag, suchten wir vergebens.
Georg Langenhorst setzt sich in seinen theologischen und religionspädagogischen Arbeiten schon länger mit Fragen der Religionsvermittlung auseinander - nicht zuletzt in zwei sehr tollen Vorträgen bei Worthaus. Sein Fazit: Geschichten müssen spannend, anschaulich, lebendig erzählt werden, ohne vorschnelles Überstülpen einer Moral und ohne zu simple Auflösung von möglichen Widersprüchen. Mit der 2019 im Verlag Katholisches Bibelwerk erschienenen Kinderbibel probiert er nun aus, wie sich das in der Praxis umsetzen lässt. Das Buch, das sich in Textauswahl und Bildsprache eher an größere Kinder und Jugendliche richtet, ist nicht nur ein Dauerbrenner bei unserer 5jährigen – ich konsultiere es selbst gern, um Bibeltexte nachzuschlagen.
Langenhorst versammelt hier alle wichtigen Texte aus dem Alten und dem Neuen Testament, ergänzt um – in Kinderbibeln eher selten anzutreffen – ausgewählte Psalmen und poetische Texte. Auch "schwierige" Themen wie die Opferung Isaaks oder die Kreuzigung Jesu werden nicht ausgespart (letztere zählte lange zu den regelmäßig vorzulesenden "Lieblingstexten" unserer Tochter). Er stellt den Leser*innen allerdings zwei Erzähler*innen zur Seite, die durch das Buch führen, Geschichten kommentieren und – wie z.B. im Falle Isaaks – auch Unverständnis oder Zweifel äußern. Das ist einer der überzeugenden Kunstgriffe dieser Kinderbibel; mit Maria Magdalena und dem Apostel Thomas (auch bekannt als Thomas, der Zweifler) sind das zwei Identifikationsfiguren, die authentisch und nachvollziehbar die Brücke in die Gegenwart schlagen.
So wird aus dem Buch der Bücher, das ja tatsächlich aus zahlreichen Einzelbüchern besteht, eine zusammenhängende Geschichte, die sich teilweise so spannend liest wie ein Comic, die Komplexität der biblischen Texte aber nicht ausblendet. In einer sehr klaren, sehr direkten, sehr bewegenden Sprache, wie sich schon auf der ersten Seite in der Schöpfungserzählung zeigt. Einer Sprache, die Kinder und Jugendliche verstehen – und die erwachsene Leser*innen nicht unterfordert.
Der zweite gelungene Kunstgriff dieser Kinderbibel sind die Illustrationen, die allein schon das Buch bemerkenswert machen. Illustrator Tobias Krejtschi stammt selbst nicht aus dem Christentum und hat einen unorthodoxen Zugang voller Neugierde und Spielfreude auf die jüdischen und christlichen Texte gefunden.
Er hat diese Geschichten immer auf der Bildebene der Bibel selber aber gleichzeitig auf der Bildebene von heutigen Lebensumständen versucht umzusetzen. Es finden sich also Reize, die in die Gegenwart gehen, und andererseits eine ganz ernsthafte Wahrnehmung der Bibelgeschichte selbst. (Georg Langenhorst)
Da werden biblische Vorstellungs- und heutige Lebenswelt bunt vermischt, was zu anspielungsreichen Bildern führt, die phantasievoll zur eigenen Auseinandersetzung mit den biblischen Themen einladen. Und vor allem zeigen, wie sich die biblischen Texte in der Lebenskultur der Gegenwart spiegeln.
Warum das relevant ist? Weil sich die Bibel in diesem Gewand einmal mehr zeigt als das große Menschheitsbuch, in dem nicht nur Fragen und Probleme von Generationen von Menschen gesammelt sind – sondern auch eine Geschichte erzählt wird, die seit über 2000 Jahren Köpfe und Herzen bewegt. Ein Begleiter, ein Echoraum, ein Buch zum Verweilen und mit ihm Wachsen – darin steht diese Kinderbibel ihren "großen" Geschwistern in nichts nach.
Georg Langenhorst, Tobias Krejtschi: Kinderbibel – Die beste Geschichte aller Zeiten. Bibelwerk 2019