Warum Ostern?

Ostern ist jetzt, und jetzt, und jetzt.

(quelle: Peter Handke)

Natürlich: auch in Musik und Kunst spürt man ihn. Doch an wenig anderem lässt sich der Verlust an kulturellem Wissen deutlicher bemessen, mit dem der Traditionsabbruch des Christentums einhergeht, als an den großen Festen des (Kirchen-) Jahres, die, um ihre eigentliche Bedeutung gebracht, oftmals zu bloßen Hochfesten des Konsums regredieren oder gar – wie aktuell der Karfreitag in Österreich – zur Disposition stehen. Ich habe Ostern und Weihnachten selbst über viele Jahrzehnte als weitgehend inhaltsleere Feste gefeiert, was sie mir irgendwann auch ziemlich vergällte. Allein: es lohnt sich, diese Feste neu und anders wiederzuentdecken. Die äußerst anregenden Bücher des Religionspädagogen Dr. Georg Langenhorst bieten hierzu einen spannenden, keineswegs steinigen Weg.

Im Schatten von Weihnachten

Ostern – das für den christlichen Glauben weitaus bedeutendere Fest – steht, so Langenhorsts Diagnose zu Beginn seines Osterbuches, "im Schatten von Weihnachten". Die Weihnachtszeit biete zahlreiche Möglichkeiten zur familienfreundlichen, traditionsreichen aber auch konsumorientierten Ausgestaltung –

mit Karfreitag und Ostern, mit Leiden, Sterben und Tod auf der einen, Auferweckung und einem "Leben nach dem Tod" auf der anderen Seite wird vieles komplizierter.

Dabei stand das Christentum von Anfang an im Zeichen von Ostern. Der christliche Glaube wurzelt in dem schwierig zu fassenden Geschehen zwischen Karfreitag und Ostersonntag. Was glaubt man, wenn man an die Auferweckung Jesu glaubt? Was heißt das für das tägliche Leben?

"Was ist Wahrheit?"

In zwölf Kapiteln wirft Langenhorst erfrischende, unorthodoxe aber genaue Blicke auf Geschichte und Geschichten rund um das Ostergeschehen. Sprachkritisch denkt er dabei zunächst mit Silja Walter über die Notwendigkeit und die Grenzen religiöser Sprache nach: "Lieber nicht von Gott reden, als in der alten, verdreschten, verbrauchten Sprache." Deshalb interessiert ihn – ähnlich wie in dem zuvor entstandenen Weihnachtsbuch – der poetische Zugang: Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man dichten.

Zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf kann man keine so große Ähnlichkeit feststellen, dass zwischen ihnen keine noch größere Unähnlichkeit festzustellen wäre.

Diese absurd klingende Lehre von der analogen Erkenntnis, formuliert 1215 auf dem 4. Laterankonzil, verweist darauf, dass Reden über Gott immer mehr falsch als wahr ist. Dennoch sind die Menschen auf Sprache und Bilder angewiesen, um ihre religiösen Erfahrungen überhaupt kommunizieren können. Daher, so Langenhorst, sind Poesie und Narration "die angemessenen, die eigentlichen Sprachformen religiöser Rede". Es sind die Urgattungen der Bibel – und genau die Gattungen, mit denen sich die Evangelisten auch dem Ostergeschehen nähern.

Die österlichen Erzählungen erzählten von etwas, so Langenhorst, "das sich der Sprache und dem rein rationalen Verstehen entzieht. Und doch von Realem spricht, von der tiefsten Wirklichkeit, die denkbar ist." Daher gelte:

Wer bis ins Letzte ausbuchstabierte Eindeutigkeit im Zugang zu Gott, im Verständnis von Ostern, in der Bestimmung vom 'ewigen Leben' sucht, verfälscht die Mehrstimmigkeit der biblischen Zeugnisse in fundamentalistische Enge.

12 Stationen, 12 Zeugen

Stattdessen sondert Langenhorst das Historisch Nachweisbare bzw. Wahrscheinliche von der poetischen Erfindung und den produktiven Widersprüchen in den verschiedenen Überlieferungen. Er folgt den Abschnitten der Passionsgeschichte und ihren zumeist ambivalenten Figuren: Pontius Pilatus, dem "Ritter von der traurigen Gestalt"; Petrus, dem engsten Gefährten Jesu, aber auch dem Feigling und Zauderer; Judas, dem Vertrauten und Verräter; Maria von Magdala, deren "Magdalenensekunde" (Patrick Roth) den "Ur-Moment des christlichen Osterglaubens" symbolisiere; Thomas dem Zweifler.

Die Auseinandersetzung mit den biblischen Texten kombiniert Langenhorst auf überzeugende Weise mit lyrischen Texten der Gegenwart von so verschiedenen Autoren wie Erich Fried, Heinrich Detering, Franz Werfel, Hilde Domin, Marie Luise Kaschnitz, Kurt Marti oder Andreas Knapp.

Was haben die biblischen Texte damals bedeutet? Wie können sie heute für uns fruchtbar werden? Lebendiger und vielschichtiger als bei Georg Langenhorst lassen sich die Grundlagen des christlichen Glaubens kaum vermitteln.

Georg Langenhorst im Herder-Verlag

Auferweckt ins Leben. Die Osterbotschaft neu entdeckt und Als ein Kind bist du gekommen. Die Weihnachtsbotschaft neu entdeckt von Georg Langenhorst sind im Herder-Verlag erschienen. Weitere Informationen.

Vorträge von Georg Langenhorst bei Worthaus