Sommernachtserwachen

Meg Rosoff: Sommernachtserwachen. Fischer 2021

Wer erinnert sich an Shakespeares Sommernachtstraum? Die Elfen im Wald, Liebesbann, Leidenschaften, vor denen kein Entfliehen möglich ist, Verwechslungsdrama und Verwirrungen allerorten, nicht zuletzt eine Hochzeit gleich mehrerer Paare... Mit diesem, einem seiner bekanntesten Stücke hat William Shakespeare im Jahr 1600 einen popkulturellen Evergreen aufgelegt, der 400 Jahre später eigentlich ganz gut gealtert wirkt (und nur ein klein wenig angestaubt). Aber liest jemand freiwillig noch Shakespeare?

Die britische Autorin Meg Rosoff veröffentlichte 2005 ein Debut, das weh tat: So lebe ich jetzt führte in ein unübersichtliches, aufwühlendes Bürgerkriegsszenario, das das Leben der jugendlichen Protagonistinnen förmlich über Nacht auf den Kopf stellte. Neun weitere Romane hat Rosoff inzwischen veröffentlicht. Wenn sie sich jetzt mit Sommernachtserwachen dem alten Shakespeare-Stoff zuwendet, dann auch in diesem Fall – der Titel deutet es bereits an – um genau zu erkunden, wie es sich anfühlt, wenn dir alles um die Ohren fliegt. Vom shakespearschen Traum* bleibt hier nur Ahnung und Fluch; im Mittelpunkt steht das Erwachen, das, soviel ist klar, kein sanftes sein wird.

Jedes Jahr fahren sie ans Meer: Mum, Dad, drei Schwestern, ein Bruder. Sie verbringen den Sommer in einem alten Haus, zusammen mit den Freunden Mal und Hope. Die Wochen vergehen normalerweise ganz entspannt mit Schwimmen, Segeln, Spielen, mit Spaziergängen und gemeinsamen Essen... Nur dieses Jahr ist alles anders. Zwei Jungen tauchen auf, Söhne einer bekannten Schauspielerin, einer ein Creep, der andere ein fleisch gewordener Liebeszauber. Vor allem aber werden die jüngeren Figuren des kleinen Sommertheaters, das Rosoff hier inszeniert, aus dem Zauber der Kindheit wachgerüttelt.

"Wenn Erwachsene von ihrer Jugendzeit schwärmen, hege ich immer den Verdacht, dass sie sich falsch erinnern",

mutmaßt die Ich-Erzählerin, eines der Opfer des schönen Kit. Denn was die Liebe, das Verlangen, die Hormone in den Köpfen und Herzen vor allem (aber nicht nur) der Jugendlichen anstellt, ist nicht einfach, nicht leicht, nicht schön – und der ersehnte Sommerurlaub entpuppt sich bald als zäher Alptraum. Rosoff lässt ihre Erzählerin nicht nur sehr genau die Vorgänge beobachten – die jugendliche Erzählerin selbst erliegt sehenden Auges dem Bann, vor dem sie gleichzeitig flüchten möchte. Die ganze Welt, scheint es, ist irgendwann unglücklich verliebt. Und nach diesem Sommer ist einiges anders, als es vorher war.