Warum Theater?
Warum sollen alle Steuerzahler eine Institution subventionieren, die nur 10% der Steuerzahler nutzen?
Im Gespräch über die prekäre Situation des Theaters Plauen Zwickau fiel es mir schwer, auf diese Frage eine Antwort zu formulieren, die über die Phrasen aus lange zurückliegenden theaterwissenschaftlichen Seminare hinausgeht.
Eine einfache Antwort gibt es sowieso nicht. Geschichte, Kulturtheorien, anthropologische Grundfragen, politische Fragestellungen - all das kann (muss?) in eine mögliche Argumentation einbezogen werden, die dann dennoch (gerade deshalb) bloße Theorie bleibt. Ich suchte nach einer einfachen Begründung für die Überzeugung, an der sich seit den Tagen meiner eigenen Inszenierungsarbeit nichts geändert hat:
Theater muss nicht sein. Aber besser ist es, wenn es sein kann.
Warum? Eine überzeugende Antwort muss eine persönliche sein, die ganz bewusst eigene Wertvorstellungen einbezieht. Und die geht so:
Weil ich in einer Gesellschaft leben möchte, in der sich Individuen in gemeinsamen, öffentlichen und offenen Räumen begegnen können, in denen sich Erfahrungen machen lassen, Horizonte als verschiebbar erkennbar werden, Konfrontation und Diskurs, Gemeinschaft und Erkenntnis stattfindet, sinnlich, leibhaftig, real, jenseits privater Sicherheits- und Komfortzonen. Diese Räume bedürfen des Schutzes, weil sie aus ökonomischer Sicht nutzlos, zwecklos, sinnlos sind (und sein müssen).
Begegnungen jenseits des Privaten und jenseits des Geschäftlichen (was die beiden Sphären sind, in denen wir in aller Regel verkehren), sind es, die uns zu Menschen im Vollbesitz des uns Möglichen machen und die Kultur unserer Gesellschaft entscheidend prägen. Dies möglich zu machen, ist in meinen Augen die Aufgabe eines Gemeinwesens.
Ich möchte in einer Welt leben, in der das Sinnliche und Zweckfreie, das Radikale, Mögliche, Utopische seinen legitimen Platz hat. Ein Denken jenseits von Ökonomie und Optimierungswahn. Das dürfen gern alle Steuerzahler mittragen.
Warum? Jetzt kommt's.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass davon jeder profitiert, auch wenn man sich das in der individualisierten Gesellschaft von heute mit all ihren virtuellen Selbstverwirklichungsräumen kaum vorstellen mag. Es ist unser aller kollektiver Möglichkeitssinn, der mit der Existenz von markt- und hierarchiefreien Räumen, mit der Möglichkeit von kollektiven Erfahrungen steht oder fällt.
Wenn man sich ein Theater anschaut und einem solche Antworten nicht einleuchten, mag dies ein Zeichen dafür sein, dass wir besseres Theater brauchen. Ein Theater, das sich so unmöglich gibt, dass es am Möglichkeitssinn seiner Zuschauer (und nicht nur von denen) kratzt.