und in dem moment holt meine Liebe zum Gegenschlag aus

Wirklich geschehen: Ich las vor dem Einschlafen noch eine der unter dem Titel und in dem Moment holt meine Liebe zum Gegenschlag aus erschienenen Erzählungen von Doris Anselm, es war, glaube ich, Das Gartenjahr, in der zwei Frauen auf gänzlich unspektakuläre Weise einen Kleingarten bewohnen, bis das Alter, die Zeit, sie einholt. Ich sank in einen wohligen Schlaf, in dem ich die Geschichte weiterträumte, bis ich aufwachte, das offene Buch neben mir, nicht wissend, was ich gelesen und was ich geträumt hatte.

So oder so ähnlich wirken viele der 16 Erzählungen, die in diesem Debüt der in Berlin lebenden und als Reporterin arbeitenden open-mike-Gewinnerin versammelt sind. Ruhig und mit viel Raum für wenige, fast surreal vergrößerte Details legen die Geschichten Fährten aus, die einen manchmal noch beim Lesen, manchmal auch viel später danach erst wieder begegnen - die Geschichten holen förmlich im Dunkeln, im Unsichtbaren zum "Gegenschlag" aus - der Schlag selbst kommt dann oft unerwartet und erschütternd.

Was daran liegen mag, dass Doris Anselm ihre Figuren und deren Welt nur in kurzen Naheinstellungen skizziert, das Bild oft auf wenige Ausschnitte reduziert, in denen sich dann aber doch die ganze Welt ihrer Protagonisten spiegelt. So erfährt der Leser oft nur das "Nötigste" über die Person selbst - ihre Ängste und Fragen, ihre Unsicherheiten und Sehnsüchte geraten dafür aber überlebensgroß. Der Rest ist Imagination.

Doris Anselm: und in dem moment holt meine Liebe zum Gegenschlag aus. Luchterhand 2017