Schreiben ist Gold
"Ich glaube, dein Buch ist eine Liebeserklärung ans Schreiben, oder",
wurde die Autorin während der Arbeit an Schreiben ist Gold gefragt. Zwar trägt das Buch einen anderen Untertitel, doch das Bild von der Liebeserklärung zieht sich buchstäblich von der ersten bis zur letzten Seite. Und wie das so ist mit Liebeserklärungen: Dieses Buch ist eine sehr persönliche Angelegenheit.
Hanna Buiting sagt: "Seit ich schreiben kann, habe ich geschrieben." Die erste von zahlreichen Erinnerungen, die sie teilt, zeigt ein 8jähriges Mädchen, das über dem Schreiben in der Schule die Zeit vergisst. Und dankenswerterweise auf eine verständnisvolle, aufmerksame Lehrerin trifft. Dann geht es auf den Dachboden, wo die ebenso verständnisvollen Eltern einen Computer geparkt haben, auf dem Hanna, nun neun Jahre, erste Geschichten schreibt. (Ich sehe mich, vielleicht 14 Jahre alt, auf einem C64 tagelang in Geschichten versunken.) Die Autorin nimmt uns mit zu ihren Morgenseiten und zu ihrem Tagebuch, zu Schreibseminaren auf Norderney und in die Zeit der Zoom-Meetings während der Pandemie. Zuletzt, mit knapp 30, reflektiert sie über das Schreiben an diesem Buch selbst, das mindestens ebenso sehr ein Buch über Hanna Buiting ist wie über das Schreiben.
Mit Liebeserklärungen ist es eine schwierige, manchmal ambivalente Sache – vor allem mit solchen, die nicht an Eine(n) selbst sondern an eine(n) Dritten gerichtet sind: Während der Absenderin das Herz überfließt, die Gedanken nicht zur Ruhe kommen wollen und die Wörter nicht ausgehen, fühlt man bei manchem sehr gut mit, findet sich wieder, freut sich über die gelungene Verpackung für die auch eigenen Gefühle; manches ist dann aber doch etwas zu ausschweifend, anderes zu pathetisch, und ganz ehrlich: an der ein oder anderen Stelle habe ich dann auch einfach ein bisschen vorgeblättert. (Um eine andere Stelle wieder und wieder zu lesen.)
Ich vermisse in diesem Memoir gelegentlich die konkrete Inspiration zwischen all den Erinnerungen und Reflektionen; ich vermisse manchmal doch eine Schreibaufgabe, die mich nicht nur über die Kreativität lesen lässt sondern eben – der Untertitel des Buches legt das ja nahe – zur Kreativität einlädt. Wie sich beides verbinden lässt, hat ja Doris Dörrie vor ein paar Jahren ganz wundervoll gezeigt. Und die stärksten Momente hat Hanna Buitings Buch in den ganz konkreten, persönlichen Erinnerungen.
Aber dennoch: ich habe diese so persönliche Liebeserklärung sehr gerne gelesen. Und mir so einiges für meine eigene Liebeserklärung (und eben für meinen Schreiballtag) gemerkt:
- die Morgenseiten (nach Julia Cameron) – auch wenn ich diese Übung selbst schon seit vielen Jahren praktiziere
- den eigenen poetischen Wortschatz: Worte und Gegenworte für alle Lebenslagen (so ein wachsender Fundus als Kraftquell von der Bibel bis zu Rilke und Hilde Domin ist ein lohnendes Langzeitprojekt)
- Blackoutening poetry
- beim Schreibenlernen sollte es immer um Kreativität und Leben gehen, nicht primär um Leistung und das Einhalten von Regeln (das nehme ich mal mit in meinen Lehreralltag)
- Listen führen, z.B. von Dingen, die ich Tag für Tag gelernt habe
- Schreiben = Beten
- Sätze aus der Bibel in Fragen verwandeln, um sie auf ihre Tragfähigkeit für mein Leben heute abzuklopfen
"Mein Tagebuch, manchmal ist es für mich ... wie die kleinste Kapelle der Welt,"
diesen wunderschönen Gedanken vor allen anderen nehme ich mit. Hanna Buiting erklärt, das Wörtchen Achtsamkeit, das neben der Kreativität den Untertitel ihres Büchleins schmückt, sei ein "Modewort", dem sie mit Skepsis begegne. Sie zeigt in ihrem Büchlein, das bewusst kein Schreibratgeber sein will, wie ihr Schreiben bei Entschleunigung, Stillwerden, Wertschätzung, Sorge und Gebet hilft: "Das Leben, es ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Kostbarkeit." Schreiben ist ein guter Weg, dies zu erfahren.