Die Katze, die nach Weisheit sucht
Ein Katzenbuch über Zen
Als jemand, der seit ungefähr 25 Jahren in unterschiedlicher Intensität Zen praktiziert (oder, vorsichtiger ausgedrückt: zu praktizieren sucht), stehe ich aktuellen Veröffentlichungen zum Zen recht skeptisch gegenüber. James Norbury liefert im Nachwort zu seiner neuesten Veröffentlichung auch gleich eine mögliche Erklärung für diese Skepsis:
"Einer der zentralen Aspekte des Zen-Buddhismus ist, dass man ihn kaum erklären kann ... und das Konzept am besten begreift, indem man Zen praktiziert."
Damit ist im Grunde schon alles – oder eigentlich schon zu viel – gesagt; schon bei der Rede von einem "Konzept" des Zen handelt es sich ja um ein komplettes Missverständnis. Zen ist die radikale Absage an Konzepte und daher zugleich der aussichtslose Versuch, kein neues Konzept (vom Zen etwa) zu entwerfen. Alte Meister hinterließen daher rätselhafte Koans und scheinbar sinnlose Geschichten, und auch das Großwerk Shōbōgenzō Dōgen hat wenig gemein mit der heutigen esoterischen Ratgeber-Literatur.
Schlägt man nun Die Katze, die nach Weisheit sucht auf, diesen wunderschön und hochwertig gestalteten Band des britischen Künstlers, besteht Grund zur Hoffnung: ein einziger kurzer Satz steht einer zarten, reduzierten Landschaftszeichnung gegenüber. Auf nahezu jeder Seite illustriert jeweils ein Bild wichtige Aspekte der Handlung, die meisten in skizzenhafter Aquarelltechnik gezeichnet, einige gar in der klassischen japanischen Sumi-e-Technik. So poetisch und inspirierend die Bilder auch sind, die kurzen Texte und die recht absehbare Handlung trüben dann doch den ersten Eindruck.
Eine Katze begibt sich auf die Suche nach innerem Frieden und Weisheit. Unterwegs begegnet sie anderen Tieren: einem Hasen, einer Krähe, einem Wolf, einem Affen usw. Mit jedem Tier beginnt die Katze einen philosophischen Dialog, und immer geht es, so verrät der Autor im Nachwort, darum, traditionelle Zen-Geschichten für den täglichen Gebrauch zugänglich zu machen. Leider hat man irgendwann das Gefühl, sich in einem Poesiealbum der Alltagsweisheiten verlaufen zu haben, noch dazu in einem, wo ein Tier klüger als das nächste ist – und ein jedes seine tiefsten Gedanken ganz weit vorn auf der Zunge trägt.
Und natürlich ist das Ende keine Überraschung: als die Katze an ihrem Ziel angelangt ist, stellt sie fest, dass sie auf dem Weg eigentlich all das gefunden hat, wonach sie sich sehnte. All das ist ja nicht ganz falsch, aber Norburys Tiere müssen den Leser*innen noch einmal und noch einmal erklären, welch kluge Einsichten sie gewonnen haben – bis es auch die letzten verstanden haben. Doch erst hinter dem Verstehen, da beginnt das Zen ... Sit down, shut up, nannte der von mir sehr geschätzt Brad Warner eines seiner Bücher, und nichts anderes wünscht man dieser Katze und ihren Wegbegleitern.