Das Trio
"'Wir werden nie wieder auf diese Art glücklich sein', sagte er. 'Wir müssen uns nur um uns selbst kümmern, und keiner, den wir lieben, ist gestorben."
Das sagt der junge Student Hugo zu seinen Freunden Thora und August, irgendwann in der Mitte des Romans Das Trio der schwedischen Autorin Johanna Hedman. Und ist damit nicht irgendwie schon fast alles gesagt? Die Jugend als Zeit intensiven Erlebens, auf fast utopische Art frei von all den Zwängen, die da noch kommen (Kinder, Arbeit, Geld, um nur einige zu nennen) – und doch ist gleichzeitig dieses "Danach" schon sichtbar, das Glück, die Freiheit sind endlich.
In diese Zeit führt uns der hoch gepriesene Debüt-Roman: Es wird gelesen und gelitten, geraucht und getrunken, studiert und – es ist kompliziert – geliebt; vor allem aber wird die ganze Zeit gefühlt, gedacht, gezögert, reflektiert, bereut. Was ein wenig den Umfang des Buches erklärt und zu so absurden, unfreiwillig komischen Dialogen führt wie: "Ich weiß nicht, was gestern Abend passiert ist." – "Ich weiß es auch nicht." – "Bist du sicher?" – "Findest du, dass es mein Fehler ist?" – "Ich habe nicht gesagt, dass irgendwer einen Fehler gemacht hat." Nicht selten auf diesen langwierigen, fast 500 Seiten ertappe ich mich bei dem Gedanken: Macht es nicht so kompliziert! Einfach raus mit der Sprache. Wo ist eigentlich das Problem?
"Ich habe nicht das Gefühl, dass dich das interessiert. Und ich werde nicht versuchen, dich davon zu überzeugen, dich dafür zu interessieren."
Wer sich den Irrungen und Wirrungen dreier Studenten in ihren 20ern zwischen Stockholm, Paris, Berlin mehr Interesse entgegen zu bringen vermag, der folgt der recht überschaubaren Handlung vielleicht bereitwilliger. Thora ist die Tochter einer reichen Unternehmerfamlie, studiert aber irgendwas mit Menschenrechten, während Hugo aus einer ärmeren sozialen Schicht stammt und als Untermieter bei Thoras Eltern wohnt. Ihn zieht es magisch hin zu der jungen Frau und ihrem Freund August, und so entspannt sich eine ménage à trois, die etwa erinnert an Bernardo Bertoluccis Die Träumer – ohne allerdings nur ansatzweise die Dramatik und Sinnlichkeit dieses nun auch nicht gerade meisterhaften Films zu erreichen. Hugo wird – ähnlich wie der Amerikaner Matthew bei Bertolucci – lange Zeit der Außenseiter bleiben, irgendwann bricht sich die Liebe Bahn, immer aber bedrängt vom Nachdenken, Begehren und Zweifeln. Es dauert nicht lang, da bröckelt und zerbricht die Dreiecksbeziehung.
Dass das Ganze irgendwie nicht so recht zu zünden weiß, hat mit einigen Schwächen dieses sich erzählerisch so ambitioniert gebenden Projekts zu tun. Erzählt wird abwechselnd aus Thoras und Hugos Perspektive. Dafür, dass sich hier zwei Protagonisten verschiedener gesellschaftlicher Schichten gegenüberstehen, ist verwunderlich, wie wenig sich das in der Sprache und in der Handlung niederschlägt. Beide erzählen auf dieselbe reflektiert kühle Weise, mit den gleichen Worten, der gleichen, wenig variierenden Melodie. Und auch der "Klassenkonflikt" zwischen ihnen bleibt merkwürdig vage. Doch nicht nur das. Dafür, dass in diesem Roman, wie in besten Studenzeiten so üblich, gefeiert, getrunken, geraucht und miteinander geschlafen wird, ist Das Trio erstaunlich frei von Sinnlichkeit. Hedman erzählt über diese Dinge und bleibt dabei über weite Teile ihres Buches in Allgemeinplätzen stecken. Situationen, Charakterere, Konflikte werden nie so konkret, dass sie greifbar werden und wirklich interessieren. Zum Beispiel schwelt da im Hintergrund ein Konflikt über das Familienunternehmen von Thoras Eltern – doch es wird nicht einmal wirklich ausgeführt, was der Konzern überhaupt treibt.
Vielleicht braucht es dann doch den Abstand des Alters, um aus der Jugendzeit literarischen Profit zu schlagen. Oder den Mut einer Außenseiterin, um aufrüttelnde, relevante Literatur über die schwedische Gegenwartsgesellschaft zu schreiben: Lola Akinmade Åkerström ist dies im letzten Jahr mit In allen Spiegeln ist sie schwarz mehr als gelungen.