Kraft der Kürze
Philip Roth: Empörung
Ein kurzes Buch mit einer erschütternden Kraft. Denn hinter jeder Zeile der Handlung um den knapp 20jährigen Marcus droht der Koreakrieg mit seinen Opfern, seiner Gewalt und seinen Verlusten. Und jede Zeile treibt das Geschehen – immer im Zeichen des alles überschattenden Krieges – unaufhaltsam zur Katastrophe, von der man ab Seite 52 weiß: allen Anstrengungen zum Trotz doch eingezogen worden, ist der Tod im Schützengraben unausweichlich, überrollt von den Chinesen, aufgeschlitzt wie einst die Hühner beim koscheren Metzgervater.
Es ist keine Ironie, dass es die vermeintlich chinesische Nationalhymne ist, deren Schlachtruf „Empörung“ den jungen, vorbildlichen und ehrgeizigen Studenten in den Tod treibt. Es zeigt nur auf tragikomische Weise die fatale Macht der Geschichte, in die Roth sein Kammerspiel verlegt hat. Weit vor den 68ern, aber schon weit jenseits der traditionellen, konservativen Welt, die das kleine College von Winesburg Anfang der 50er Jahre noch ist, dreht sich das halbe Buch um die Erschütterung, wenn man als junger Mann, der man eigentlich kaum schon ist, von einem Mädchen einen „geblasen“ bekommt. Eine
Erschütterung, die das Leben von Marcus Messner nachhaltig verändert, durcheinander würfelt und letztlich – in einer bemerkenswerten dramaturgischen Aneinanderreihung von scheinbar unzusammenhängenden, aber keinesfalls „zufälligen“ Ereignissen – beendet.
So wohnt man auf knapp 200 Seiten einer Geschichte bei, bei der eigentlich nur einmal jemand verständnisvoll „Halt!“ rufen müsste. Dieses Verständnis aber gibt es nicht – es gibt nur Normen, Traditionen, Erwartungen und Empörung, Aufbegehren, Stolz.