Paul Auster: 4 3 2 1
Ein schwerer Brocken: Paul Austers 4 3 2 1 hielt mich mit seinen 1259 Seiten fünf Monate lang in Beschlag. Weil sich, was da zwischen den Buchdeckeln liegt, kaum zusammenfassen lässt, mach ich's kurz: vier Lebensläufe, zwanzig Jahre, eine Unmenge an Zeitgeschichte aus dem Amerika der 1950er und 1960er Jahre, Literatur, Sport, Politik, Sex ... Kurz: der treffend als Opus Magnum bezeichnete Roman enthält jede Menge Leben: dicht, fesselnd, abgründig, verführerisch, leidenschaftlich. Auch wenn mich die teils seitenlangen Schachtelsätze als stilistisches Mittel irgendwann ein bisschen ermüdet haben, ist klar: Hier hängt alles mit allem zusammen, der Zufall spielt Schicksal, Privates und Politik sind so wenig zu trennen wie Leben und Tod oder - manchmal - Sex und Liebe.
Auster entwirft vier Variationen eines Leben. Nur der Ausgangspunkt, die Eltern, die Geburt sind identisch. Davon ausgehend entspinnen sich vier Geschichten, in denen das Personal oft wiederkehrt, die gleichen Menschen jedoch ganz unterschiedliche Rollen für den jeweiligen Archie Ferguson spielen. Auch die Liebe zur Literatur ist eine Konstante in allen vier miteinander verschränkten Lebensläufen - doch was daraus erwächst, wohin es führt, ist jeweils grundverschieden.
Vollgepackt ist dieses Buch nicht nur mit Leben und Zeitgenossenschaft, sondern vor allem: mit Liebe.
Bei allem Auf und Ab, bei aller Aussichtlosigkeit und Düsternis bringt der Erzähler seinen Protagonisten immer seine unbedingte Liebe entgegen. In keinem Augenblick, auch nicht im Scheitern oder im Tod, gibt er sie auf und verloren; jeder Moment ist gleich gültig, jeder Lebenslauf in gleichem Maße lebenswert. Hier geht es nicht um Ergebnisse, hier geht es allein um die Erfahrung. Diese Haltung den Figuren gegenüber färbt auf diese und auch auf mich, den Leser, ab: Das Leben ist wert, gelebt zu werden, Moment für Moment.
Ein ungewöhnlicher, postmoderner Bildungsroman? Sicher. Ein Pageturner über mehr als 1000 Seiten? Auf jeden Fall. Vor allem aber eine Lektüre, die Begeisterung für das Leben weckt - gerade weil ich in jedem Moment nur eine Version meiner selbst bin, eine Möglichkeit unter unzählig weiteren.