One more time with feeling
Most of us don't wanna change. Really. I mean why should we? What we do want is a sort of modifications of the original model. We keep on being ourselves - but just, hopefully, better version of ourselves. But what happens, when an event occurs that is so catastrophic that you just change? You change from the known person to an unknown person.
Nick Cave im Badezimmer. Er zieht sich an, geht zerstreut auf und ab, nimmt einen Schluck Kaffee, geht. Der Regisseur ruft ihn zurück und bittet ihn, die Einstellung noch mal drehen zu können. One more time with feeling.
Nick Cave war schon immer beides: Inbegriff intensivster Authentizität und Inszenierung. Blues im Varieté. Das das kein Widerspruch sein muss, zeigte sich zuletzt auf seiner Tour im letzten Frühjahr: ein Derwisch, ein Magier, eine One-Man-Show (mit meisterhafter Unterstützung durch die Bad Seeds), der sich durch Worte und Musik verwandelt, verjüngt, vordringt in Sphären jenseits des Sag- oder Denkbaren.
Immer wieder im Verlauf des Films sehen wir Nick Cave zu, wie er sich zusieht: beim Singen, beim Proben, beim Reden, beim Denken. Wie er sich widerspricht, korrigiert, einen neuen Anlauf nimmt. Es gibt keine Gewissheiten, keine klaren Antworten. Im Leben verbirgt sich keine Geschichte, so verzweifelt wir sie auch suchen. Und so bewegen sich die neuen Songs aus dem Album Skeleton Tree in Kreisen um die immer wiederkehrenden Motive. Jesus is a liar and a fee. Da sind Trauer, Schmerz, Sehnsucht, Reue - und Glück.
Währenddessen umkreist die Kamera unerbittlich den Sänger. Sucht kleinste Ritzen und Löcher, um aus engen Räumen in immer neue Räume aufzubrechen. Verbindet Mikro- und Makrokosmos. Sucht im Innen das Außen. Cave's Klage an die Welt führt ihn zurück mitten hinein in diese Welt.
Sein Schreiben habe sich verändert. Er könne keine Geschichten mehr erzählen. Er glaube nicht mehr daran, dass das Leben eine Geschichte sei. Die Musik probt indessen die Auflösung bekannter Strukturen, verflüssigt sich, tropft in tiefste Tiefen, kreist die Momente der Sprachlosigkeit ein, erhebt sich darüber. Nackt, ungeschützt. Liebevoll.
Nur ein Jahr nach dem Tod seines Sohnes hat Nick Cave gestern den erstaunlichen ersten Teil eines Gesamtkunstwerks veröffentlicht, das Trauer und Schmerz in einem - es kann nur so sein - unermesslichen Kraftakt den denkbar intensivsten Ausdruck verleiht. Eine große, schmerzhafte Liebeserklärung. Ein ehrlicher, ungeschönter Blick in den Spiegel. Und gleichzeitig, der Abspann weist daraufhin, eine Inszenierung, die aus dem Persönlichen etwas Allgemeingültiges destilliert, das Menschen angehen, berühren, bewegen dürfte, solang es Liebe gibt.
Und natürlich erzählt Cave eine Geschichte: die von dem Aufbruch aus dem Kreis der Trauer, von der Hinwendung zum Leben, der Möglichkeit, neu anzufangen, weiterzumachen, anders als zuvor, gebunden an das Geschehene und frei zugleich. One more time with feeling.