Von Kraken und Katzen (oder Japanern, Deutschen und Vietnamesen)

Was bedeutet es eigentlich, wenn zwei Kulturen aufeinandertreffen, die auf den ersten Blick unterschiedlicher kaum sein könnten? Welche Gegensätze, welche Stereotype machen sich bemerkbar, wo liegt der Stoff für Konflikte – und wo die Möglichkeit für eine Verständigung oder Lösung? Der in Berlin lebende Autor Christoph Peters ist seit etlichen Jahren schon spezialisiert auf den Zusammenprall von japanischer und europäischer bzw. deutscher Kultur. Er ist ein Wanderer zwischen den Welten – zwischen Deutschland und Japan, zwischen Teezeremonie und meisterhaftem Keramikhandwerk, zwischen brutalem Yakuza-Thriller und der subtilen Komik der Verständigung.

Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln

Wobei in meinen Augen letzteres besser gelingt. Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln ist für mich eines der ungewöhnlichsten, amüsantesten und zu Unrecht übersehenen Bücher der deutschen Gegenwartsliteratur – von großer Herzlichkeit, Wärme und Zuneigung beiden Kulturen gegenüber. Noch dazu verschafft das Buch dem Leser einen inspirierenden, kenntnisreichen Einblick in die japanischer Töpferkunst.

Mit Der Arm des Kraken (2015) und Das Jahr der Katze (2018) ist Peters nun wiederholt in das Yakuza-Geschäft eingestiegen, eine Mischung aus Thriller und Satire anpeilend.

Der Arm des Kraken

Im ersten Band, Der Arm des Kraken, stehen sich der japanische Yakuza Fumio Onishi und die Berliner Kommissarin Annegret Bartsch gegenüber, während im Prenzlauer Berg reihenweise Vietnamesen “um die Ecke gebracht” werden. Onishi soll den Mord an einem Ex-Yakuza wahlweise aufklären oder rächen. Mit seinen Methoden stößt er nicht nur Nikola, die Ex-Freundin des Mordopfers, vor den Kopf, sondern lässt die in ihrer Langsamkeit satirisch überzeichnete Berliner Polizei regelmäßig gegen die Wand laufen - inklusive überraschendem, offenem Ende.

Das Jahr der Katze

Ziemlich nahtlos schließt daran Das Jahr der Katze an. Auftrag vollendet, zurück nach Japan: mit der mittlerweile zur eigenen Freundin beförderten Nikola im Schlepptau, die sich über weite Teile des Romans als idealtypische Deutsche erweist – dauerhaft am Zweifeln, Nörgeln, Hinterfragen – dass man sich zunehmend fragt, was sie eigentlich von dem ebenso dauerhaft schweigenden, unterkühlten Yakuza möchte, dem sie seinen japanischen Charakter pausenlos vorwirft. Onishi hat viel Ärger an der Backe, hat sich doch eine ganze Yakuza-Riege gegen ihn und seinen Meister verschworen – ein Stammeskrieg, wie aus der Zeit gefallen, hinter dem sich große gesellschaftliche und politische Verwerfungen abzeichnen.

Vielleicht ist das mein Problem mit diesen Büchern: Christoph Peters will mit der relativ handlungsarmen Thriller-Konstruktion allerlei Komplexes über die verschiedenen Kulturen erzählen. Daraus resultiert eine enorme Gesprächigkeit, die nicht zuletzt da zum Problem wird, wo z.B. der japanische Zen-Meister in langen, enorm mitteilsamen Monologen die Handlungen unterbricht. Ist das also die Kehrseite des sich schweigsam und streng gebenden Zen-Meisters: dass sich in seinem Inneren endlose Monologe ohne Punkt und Komma abspielen, die den Bewusstseinsströmen der Berliner Polizistin aus dem ersten Roman in nichts nachstehen?

Peters findet für die so strenge Welt des Zen und der Yakuza keine wirklich adäquate sprachliche Form. Wo Takeshi Kitano über die stumme Kraft der Bilder verfügt oder Quentin Tarantino die Gewalt im Höchstmaß stilisiert, bleibt Peters’ Sprache zu ausladend und kraftlos.

Auch seine Figuren bleiben letztendlich Scherenschnitte, die nicht wirklich zu fesseln wissen. Am ehesten noch der Killer Funio Onishi, der seine Verschwiegenheit kultiviert und sein meisterhaftes Handwerk in den Mantel eines streng gehüteten Geheimnisses wickelt. Ihm gegenüber kommt seine deutsche Freundin Nikola nicht über die blasse Statur einer faden Nebenfigur hinaus. Was vielleicht auch daran liegt, dass Peters in seiner Erzählung ganz dem Blick des Japaners folgt, der an Frauen regelmäßig zunächst die spitzen Brüste registriert, um dann – im Falle von Nikola erwartbar – der scheinbar einzig naheliegenden Möglichkeit zum Sex zu erliegen.

Christoph Peters: Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln. / Der Arm des Kraken / Das Jahr der Katze. Luchterhand Literaturverlag München 2014-2018