Erwarte nichts, erhoffe alles
Gedanken eines Hobbymönchs
Eine spirituelle Praxis, die aus der Mitte heraus den Alltag durchdringt; Glaube, der durch die Tage trägt; ein lebendiger Kraftquell, gespeist aus den Worten der christlichen Botschaft? Das zu finden, fällt mir seit geraumer Zeit in der (evangelischen) Kirche schwer. Gefunden habe ich es vor einigen Jahren in "meinem" Kloster: im Kloster Volkenroda lebt eine kleine Kommunität und praktiziert zusammen mit ihren Gästen eine authentische, lebendige Glaubenspraxis, an der man auch während eines "Kloster auf Zeit" genannten Aufenthalts Anteil nehmen kann. So lernte ich etwa die Kraft der den Tag strukturierenden Gebetszeiten kennen – und das einfache, auf die Gegenwart an diesem Ort konzentrierte Leben schätzen. Die Gegenwart Gottes als tragende Kraft im eigenen Leben zu erfahren: es ist möglich.
Wieder zuhause folgt dann aber meist die Ernüchterung: die Erfahrungen aus dem Kloster lassen sich halt nur schwer auf die alltägliche Lebensrealität übertragen.
"Das Kloster ist für viele eine Art Sehnsuchtsort gelingenden Lebens, das mit Ruhe, Tiefgang und Gelassenheit assoziiert wird,"
weiß auch Jürgen Sammet, der als Organisationsberater u.a. für die Abtei Münsterschwarzach gearbeitet hat, wo er das benediktinische Klosterleben kennenlernte – und zum "Oblaten" der Abtei geworden ist: Er versucht, außerhalb des Klosters, ein Leben nach dem Geist der Ordensgemeinschaft zu führen. Nun hat Sammet ein sehr anregendes Buch mit Gedanken eines Hobbymönchs geschrieben, natürlich im Münsterschwarzacher Vier-Türme-Verlag erschienen. Erwarte nichts, erhoffe alles ist ein erfreulich lebensnaher, bodenständiger Wegweiser in eine christliche Glaubenspraxis, die sich auf die Anforderungen des modernen Alltags einlässt.
Sammet weiß, dass in jeder tragfähigen Spiritualität "Glaube, Wissen und Erfahrung" zusammenkommen müssen. Glauben darf mit der Vernunft nicht im Wettstreit liegen, sondern muss sich auf sie berufen können! Und vor allem gründet Glaube in religiösen Erfahrungen: Erfahrungen des Vertrauens und der Verbundenheit. Damit der Glaube einen Beitrag zu einem gelingenden Leben leisten kann, bedarf es einer Erfahrungsqualität.
Und hier nun beginnt dieses Buch, das sich auf so angenehme Weise jeder Spekulation und aller nebulösen Glaubensfloskeln enthält, so richtig spannend zu werden: auf den Spuren des **Benedikt von Nursia** geht Sammet der Frage nach, "wie religiöse Erfahrungen ganz konkret im Alltag möglich sind". Die Erfahrung und das konkrete Tun sind der Ausgangspunkt für seine Gottsuche. Ganz benediktinisch spielt das *Hören* eine zentrale Rolle: "Der erste und wichtigste Schritt ist, ins Hören zu kommen.""Ob jemand Zugang zum Prinzip der Fülle findet, hängt also wesentlich davon ab, ob er Erfahrungen der Selbsttranszendenz und der Transformation machen kann."
Mit der Haltung des Hörens wendet sich Sammet nun zum Beispiel dem Gebet zu, das, wie er es versteht, eigentlich mehr eine "Lebensweise" ist (und zwar eine ersichtlich aufregende): es bedeutet, "hörend und vertrauensvoll in Beziehung zu leben". Für die Benediktiner ist Gott immer da, der ganze Alltag ist durchdrungen von der Gegenwart Gottes. Sammet betrachtet darüber hinaus, was "Lieben" und "Wachsamkeit" aus der Haltung des Hörens heraus für ein religiöses Leben bedeuten. Es ist kaum zu ermessen, wie viele Aspekte der benediktinischen Spiritualität er auf den wenigen, gut geschriebenen Seiten seines Buches beleuchtet.
All das mündet in eine Art Leitfaden, "wie Sie sich ihr eigenes kleines Kloster bauen können". Weit davon entfernt, ein Kochrezept für gelingende Spiritualität liefern zu wollen, versammelt Sammet hier einige lebensnahe, praktische Tipps für das das eigene Glaubensleben: für ein Leben in der Gegenwart Gottes. Damit aus dem "Kloster auf Zeit" ein Kloster in der Zeit wird.