Down Cemetery Road

Zoë Boehm ermittelt in Oxford

Zoë Boehm ermittelt in Oxford: so steht es zumindest im Untertitel des ersten Kriminalromans von Mick Herron, Down Cemetery Road, der 2003 erschien, lange bevor Herron mit den Slow Horses Kultstatus errang. Nun, in diesem Fall führt der Untertitel ziemlich in die Irre, fragt man sich doch über weite Strecken des Romans, wo denn nun die Ermittlerin Zoë Boehm steckt – noch dazu wo ihr Partner, der Privatdetektiv Joseph Silvermann, recht bald tot in seinem Büro aufgefunden wird. Zoë Boehm hingegen läuft ein, zwei mal kurz durchs Bild, bevor sie eigentlich erst zum Showdown ihren großen Auftritt hat und die Sache in die Hand nimmt. Down Cemetery Road, soeben endlich in deutscher Übersetzung erschienen, wirkt in dieser Hinsicht wie ein Prequel für die weiteren Boehm-Romane, die Herron bis 2009 veröffentlichte. Bleibt zu hoffen, dass der Diogenes-Verlag recht bald mit weiteren Übersetzungen nachlegt.

Denn Down Cemetery Road ist gut, sehr gut sogar. Zoë Boehm zitiert einmal den Malteser Falken von Dashiell Hammett. Herron tritt mit seinem zwielichtigen, melancholischen Detektivroman gekonnt in die Fußstapfen von Hammett oder etwa Raymond Chandler, bevor es die Friedhofsstraße runter ziemlich rasant Richtung Politthriller geht, nicht ohne vorher noch ein bisschen Bonnie & Clyde zu spielen. Im Zentrum steht Sarah Tucker, deren überschaubares Leben als Frau an der Seite ihres (vermeintlich erfolgreichen) Mannes durch eine Explosion in der Nachbarschaft erschüttert wird. Ein Mann und eine Frau sind tot; ein Kind, Dinah, ist verschwunden. Und dieses Kind zu finden, macht sich Sarah zur Aufgabe – nicht wissend, dass ihr Leben bald völlig aus den Angeln gehoben werden wird.

Mick Herron: Down Cemetery Road. Zoë Boehm ermittelt in Oxford. Aus dem Englischen von Stefanie Schäfer. Mit einem Vorwort von Emma Thompson. Diogenes 2025

Sarah bewegt sich, mit dem viel redenden Joseph Silvermann an ihrer Seite, durch ein Zwielicht, ohne dass sich auch nur Anhaltspunkte für ein Verbrechen zeigen. Sarah vertraut auf ihr Gefühl, während alle Welt – Behörden, Freunde, ihr Mann Mark – ihr einreden will, dass alles ganz normal sei. Irgendetwas stimmt nicht, und sie muss es rauskriegen.

„Wenn Dinah unwichtig war, waren alle Menschen unwichtig.“

Spätestens als Silvermann getötet wird, ist klar: Hier ist gar nichts normal. Wie die Welt Risse bekommt, die Vergangenheit Sarah einholt und der Krieg ins beschauliche Oxford der 2000er Jahre einbricht – es ist die Zeit des dritten Golfskriegs – ist schlichtweg atemberaubend zu lesen.

Bald ist Sarah auf der Flucht, ohne genau zu wissen vor wem. Und als höchste Regierungskreise durch eine Frau mit – aus Sicht der Männer – „Bored Housewife Syndrome“ gestört werden, darf Mick Herron schonmal für die Slow Horses üben, schwarzen Humor inklusive. Vorher aber darf dann erst einmal Zoë Boehm ermitteln: demnächst auch in Deutsch bitte!