Black Forest

Denglers elfter Fall

Nachdem ich in diesem Winter mehrere Wochen im Schwarzwald, nur wenige Kilometer vom Feldberg entfernt, verbringen konnte, sprang mich Denglers elfter Fall auf der Krimibestenliste förmlich an: Der Privatdetektektiv und ehemalige BKA-Zielfahnder Georg Dengler kehrt in Black Forest genau dahin zurück: in seine Heimat, auf den Hof seiner Kindheit im Schwarzwalddorf Altglashütten, wo die in die Jahre gekommene Mutter noch immer lebt.

Wolfang Schorlau: Black Forest. Denglers elfter Fall. Kiepenheuer & Witsch 2024

Was Wolfgang Schorlau recht beschaulich als Heimatroman inkl. alemannischem Dialekt beginnen lässt, biegt schnell in Richtung Politthriller ab. Mit Dengler finden sich die Leser*innen bald inmitten heißer Kämpfe von Windkraftgegnern und -befürwortern wieder. Während die einen für erneuerbare Energien kämpfen, ist den anderen jedes Mittel, Geld und im Zweifel auch eine Tote recht, um weiterhin mit fossilen Energien viel Geld zu verdienen. Ein Konflikt, der auch durch die Familie geht: Da ist Denglers Mutter, die der Windkraft eher skeptisch gegenübersteht (und der zufälligerweise das Grundstück auf dem Feldberg gehört, das ideal für ein Windrad wäre) – und da ist sein Sohn Jakob, der aus Berlin zur Hilfe eilt und nicht nur ein wandelndes Lexikon in Sachen Klimakrise ist, sondern auch sonst alle Klischees des „woken“, gendernden Großstädters erfüllt, sprachlich allerdings über das Klischee auch nicht hinauskommt:

“Wir sind mitten in einer neuen planetarischen Katastrophe – und wir erleben sie in Echtzeit.“

So spricht der junge Mann, der von seinem Autoren als äußerst redselige Erklärstimme benutzt wird. Schorlau liefert in einem umfangreichen Nachwort und auf seiner Website gleich alle Quellen mit, denen seine Figuren ihr Wissen verdanken - wenn sie es nicht gleich im Roman selbst erwähnen, wie der Aufsichtsratvorsitzende eines großen Energiekonzerns, der ausführlich über die Studie Triggerpunkte von Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser nachdenkt und diese gleich sätzelang zitiert.

Da beginnt denn auch das Elend dieses in seiner Intention ja sehr begrüßenswerten Buches: Es steckt dermaßen voll akribisch recherchierter Fakten und von Experten geliefertem Wissen, dass darüber jeder Spannungsbogen zerbricht. Und auch so manche Wahrscheinlichkeit. Was man sich in Sachen Lobbyismus und politischer Drecksarbeit nicht vorstellen mag, findet natürlich viel zu oft genauso statt. Aus der Realität in die Fiktion geholt, leidet paradoxerweise die Glaubwürdigkeit der Fiktion. Und die stocksteife Belesenheit des Autors und seines Personals nimmt dem Roman jegliche Energie.

Fazit: Ein mit viel Aktivismus und Engagement geschriebener Politthriller, der mehr auf seine Figuren als auf die Fakten hätte vertrauen sollen. So bleibt die Empfehlung, sich gleich mit der Realität auseinanderzusetzen, etwa in dem spannenden Feature zur Energiewende im Osten (Deutschlandfunk Kultur) oder in der wahnwitzigen Episode von Piratensender Powerplay zu Habecks „Heizhammer“.