Yoga et Labora

Nachdem ich während der Corona-Pandemie in einer Online-Andacht für die Website meiner Gemeinde von meinen Erfahrungen mit der Zen-Meditation erzählt hatte, kam eine Frau aus der Gemeinde auf mich zu und bedankte sich. Sie fände das ja sehr spannend – aber dürfe man so etwas als Christ*in? Sie selbst würde ja ab und zu Yoga machen und frage sich immer, ob das christlich sei …

Das ist, noch immer, alles andere als eine theoretische Diskussion. Körperfeindlichkeit ist dem Christentum mit seiner Fixierung auf das Wort vermeintlich in die Wiege gelegt worden (was natürlich nur die halbe Wahrheit ist). Und die Kirche ist in Sachen Ab- und Ausgrenzung von anderen Glaubenspraktiken und -wegen keineswegs auf den Kopf gefallen. Noch immer herrscht zuweilen eine bestürzende Enge – im Namen eines Glaubens, der eigentlich in die Weite, ins Offene führen sollte. Die Mystiker*innen, jahrhundertelang an den Rand der Institution gedrängt, können davon ein Lied singen.

Nina-Maria Mixtacki wahrscheinlich auch. Die im sächsischen Mittweida lebende Pfarrerin hat soeben ein Buch veröffentlicht, in dem sie die eingangs erwähnte Frage aus meiner Gemeinde selbstbewusst bejaht: Christliches Yoga für AnfängerInnen und Fortgeschrittene ist für sie kein Widerspruch, sondern Ausdruck einer tiefen Sehnsucht, keine geheime Kunst, sondern alltägliche Praxis. In Yoga et labora zeigt sie in Wort und Bild, wie sich „mit Leib und Seele“ beten lässt. Nichts anderes ist Yoga für sie: eine Hinwendung zu Gott durch die Zuwendung zum eigenen Körper.

Körper, Seele und Geist möchte sie gleichermaßen ansprechen mit ihrer Vision einer ganzheitlichen christlichen Spiritualität. Im evangelisch-lutherischen Gottesdienst werde der Körper und die Sinnlichkeit zugunsten des Wortes weitgehend vernachlässigt.

“Ich wünsche mir mehr,“ schreibt sie: „Ich will auch mit meinem Körper und meiner Seele erleben, wie Gott ist.“

“Christliches Yoga kann diejenigen einladen, die sich eine tiefere, körperliche Ebene in ihrer Spiritualität wünschen. Diejenigen, die mit ihrem Körper beten wollen.“

Ich muss zugeben: Ich war skeptisch. Das Label „christliches Yoga“ fand ich befremdlich. Das heute betriebene Yoga sei eine Mischung aus indischen Traditionen und von den Kolonialmächten mitgebrachten Turnübungen, erklärt Nina-Maria Mixtacki auf ihrem Instagram-Kanal: „Ich kann heute Yoga als Sport machen oder religiös füllen – übrigens durchaus auch christlich!“ Sie verweist auf christliche Traditionen von Meditation und Körpergebet. Warum also nicht: ich wollte es probieren.

Als bekennender Yoga-Muffel nahm ich das Buch und die ungemein bereichernden Audiobeschreibungen der Autorin mit auf eine Kloster-Auszeit und integrierte sie in den für fromme Christen unter Umständen befremdlichen Tagesablauf: Vor dem Morgengebet 30 Minuten Zazen, am Nachmittag, zwischen Mittags- und Abendgebet eine knappe Stunde Yoga, bevor der Tag wiederum mit 30 Minuten Zazen beendet wird.

Mit Yoga durchs (Kirchen-) Jahr.
Mit Yoga durch das (Kirchen-) Jahr: Auszug aus „Yoga et labora“ von Nina-Maria Mixtacki. Patmos 2025

In ihrem Buch versammelt Mixtacki neben den wichtigsten Atemübungen, Asanas und Meditationen vor allem eine Sammlung von Yoga-Flows für das (Kirchen-) Jahr. Für die verschiedenen Zeiten des Kirchenjahres hat sie Übungen zusammengestellt, die auf die jeweiligen Themen und Stimmungen des Jahres (von Advent bis Ostern, von Himmelfahrt bis zum Ende des Kirchenjahres) eingehen – wobei sich die Flows auch losgekoppelt vom Kirchenjahr auf persönliche Situationen und Stimmungslagen anwenden lassen. Mit einem Bibelvers, kurzen Beschreibungen, detaillierten Fotos und der Audiobeschreibung öffnen sie einen Raum für die bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers, für den achtsamen, liebevollen Umgang mit Seele und Geist –und für die Zuwendung zu Gott. „Beten mit Leib und Seele“, viel besser kann man die intensiven Übungen nicht auf den Punkt bringen. Weswegen das mit dem „christlichen Yoga“ dann doch sehr in Ordnung geht: es bringt zusammen, was nur aus verengter Perspektive nicht zusammengehört.

Das Buch

Nina-Maria Mixtacki: Yoga et labora
Nina-Maria Mixtacki: Yoga et Labora. Christliches Yoga für AnfängerInnen und Fortgeschrittene. Patmos 2025

Weitere Informationen zu Yoga und Christentum

Andreas Hahn (Hg.): Yoga und christlicher Glaube. Zwischen körpersensiblen Entdeckungen und synkretistischer Vereinnahmung. Berlin 2020, 68 Seiten: Download der Publikation